Freitag, Mai 03, 2024

Kyūdō

Kyūdō [kjɯːdoː] (jap. ; dt. „Bogen-Weg“) ist die über 500 Jahre alte Kunst des japanischen Bogenschießens.

Für den Außenstehenden besonders auffällig ist der langsame Bewegungsablauf, die bei Zeremonien stilvolle traditionelle Bekleidung sowie die Einzigartigkeit und Schönheit des Bogens und der Pfeile.

Geschichte

Kriegsschießen in Rüstung

Kyūdō hat sich aus den Kriegskünsten des japanischen Adels entwickelt. Lange Zeit war die Bogenschießkunst unter dem Namen Kyūjutsu (弓術; dt. „Bogen-Kunst“) bekannt, bis daraus, wie aus so vielen Künsten, ein „-dō“ wurde (vgl. Budō, Bushidō, Jūdō, Kendō, Iaidō, Aikidō usw.).

Im 16. Jahrhundert (Epoche des Namban-Handels) verdrängte die Einführung der Feuerwaffen auch in Japan allmählich den Bogen als Kriegswaffe, jedoch behielt er als ein Instrument für Jagd und Sport und in der Gegenwart besonders als Mittel zur persönlichen Weiterentwicklung seine Bedeutung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die vielen verschiedenen Schulen vereinheitlicht und zwei vorherrschende Stile entwickelt: Der Shomen-Stil, bei dem Wert auf Eleganz gelegt wird, und der Shamen-Stil, dessen Schwerpunkt in der Schießtechnik liegt. Die technischen Unterschiede lassen sich aus der früheren Verwendung erklären, d.h. ob kriegerisch zu Fuß (Bushakei), zu Pferd (Yabusame) oder zeremoniell (Reishakei) geschossen wurde.

Kyūdō wird oft mit Zen-Bogenschießen gleichgesetzt, dies ist nur teilweise richtig. Die unterschiedlichen Schulen betonen verschiedene Inhalte. Kyūdō ist Bogenschießen und damit keine reine Meditationsübung, wenngleich in manchen Kyūdō-Stilen dem meditativen Aspekt eine große Bedeutung zukommt.

 

Besonderheiten

Kyūdōschütze in Hakama und Gi

Neben der besonderen Übungsmethodik unterscheidet sich der Bogen auffällig von westlichen Sportbögen. Der Yumi ist asymmetrisch geformt, der obere Wurfarm ist deutlich länger als der untere. Die Theorie, dass der untere Wurfarm verkürzt wurde, um ein Schießen vom Pferd zu erleichtern, ist nicht zutreffend. Die asymmetrische Form bestand bereits, bevor Pferde überhaupt in Japan eingeführt wurden. Es ist wohl eher anzunehmen, dass bei der Anfertigung eines Bogens aus einem dünneren Stamm das unregelmäßig dicke Holz unterhalb der Mitte gegriffen werden musste, um das „Gleichgewicht“ des Bogens –unten schwerer, oben leichter– zu erhalten. Später wurde diese Form beibehalten, obwohl sich die Composit-Bauweise (aus China übernommen) durchgesetzt hat. Ein Grund für die auffallende Länge dürfte auch in der Belastbarkeit des verwendeten Materials (Bambus) liegen. Bei der asymmetrischen Bauart ermöglicht der lange obere Schenkel den großen Auszug, der kürzere untere bewirkt eine höhere Pfeilgeschwindigkeit.

Der Bogen hat weder Zieleinrichtung noch Pfeilauflage. Der Pfeil wird an der Bogenkante rechts außen auf dem Daumen aufgelegt, also auf der dem Schützen abgewandten Seite des Bogens. Die Sehne wird mit Hilfe eines Schießhandschuhs mit einer Grube am Daumen gezogen. Neben dem eigentlichen Schießen wird eine Reihe zeremonieller Bewegungsformen in traditioneller Kleidung Hakama und Keiko-Gi, bei fortgeschrittenen Schützen auch im Kimono geübt. Einen wichtigen Teil des Trainings nimmt das Üben der Technik und der Bewegungsabläufe vor dem Makiwara ein. Dabei wird aus nur 2–3m Entfernung auf ein Reisstrohbündel geschossen.

 

Schusstechnik

2 Mato

Der Pfeil wird bei einer Bogenstärke zwischen 7–26 (selten auch mehr)kg horizontal auf das 28m entfernte Ziel, das Mato (Durchmesser 36cm), abgeschossen. Diese Entfernung und die Anordnung der Zielmitte knapp 30cm über dem Boden geht auf die mittelalterliche Schlachtordnung zurück. Die Bogenschützen knieten und versuchten, den durch die Rüstung weniger geschützten Bereich des Unterleibs des Gegners zu treffen.

Die asymmetrische Form des Bogens und das Anliegen des Pfeils an der rechten Seite würden den Pfeil beim Lösen nach rechts oben ablenken. Um dieses auszugleichen, muss der Bogen beim Abschuss innerhalb eines Sekundenbruchteils zum Ziel gedreht/geschraubt werden (Tsunomi no hataraki), bevor sich der Pfeil von der Sehne löst.

Endform nach dem Abschuss

In Koordination mit der Bewegung der linken Hand muss die rechte Hand nach innen eingedreht werden (Hineri), damit der Handschuh die Sehne freigibt.

Die Art des Schießens variiert je nach Schule und Stilrichtung. Als größere Schulen neuerer Zeit haben sich Heki-Ryu, Ogasawara-Ryu sowie Honda-Ryu durchgesetzt. Während in Japan überwiegend Shomen (zentrales Anheben des Bogens) geschossen wird, findet in Deutschland bzw. Europa hauptsächlich der Shamen-Stil Anhänger, bei dem der Bogen nach links ausgestellt gehoben wird. Die Hauptströmung ist hier Heki-Ryu Insai-Ha, auf den großen Einfluss von Genshiro Inagaki zurückgehend, der Deutschland erstmals 1969 im Auftrag der „Zen Nihon Kyūdō Renmei“ besuchte. Er war bis zu seinem Tode 1995 Bundestrainer des Deutschen Kyūdō Bundes. Die auf seiner Trainerarbeit basierenden Vereine in Deutschland sind über den Deutschen Kyūdō Bund und den Europäischen Kyūdō-Verband dem Internationalen Kyūdō Verband (IKyuF) angeschlossen. Gleiches gilt für die deutschen Kyūdō-Vereine, die den Shomen-Stil pflegen.

Seit über 20 Jahren ist auch die Heki-Ryu Bishu Chikurin-Ha in Europa vertreten. Das Oberhaupt dieser Schule ist Kanjuro Shibata XX. Er war kaiserlicher Bogenbauer. 1994 wurde seinem Adoptivsohn, Kanjuro Shibata XXI., offiziell der Titel „Kaiserlicher Bogenbaumeister“ verliehen und er übernahm die Bogenbauwerkstätte seines Vaters in Kyoto. Die diesen Stil pflegenden Vereine sind nicht Mitglieder des Deutschen Kyūdō Bundes.

 

Geistige Aspekte

Das Buch von Eugen Herrigel Zen in der Kunst des Bogenschießens hat viel dazu beigetragen, Kyūdō als eine Zen-Kunst zu betrachten und einer religiösen Tätigkeit gleichzusetzen, was größtenteils auf Missverständnissen Herrigels beruht.

Im 17. und 18.Jahrhundert bekam die Kyūdōpraxis eine philosophische Tendenz. Sprüche wie „ein Schuss – ein Leben“ oder „Schießen soll sein wie fließendes Wasser“ wurden mit der Lehre des Kyūdō in Zusammenhang gebracht. Hier trennten sich die Auffassungen der unterschiedlichen Schulen. Teilweise wurde der Treffer als nachgeordnet betrachtet und behauptet, allein die richtige geistige Einstellung reiche beim Schießen aus.

Im Kyūdō soll im vollen Auszug und bei der Schussabgabe Munenmuso oder Mushin (übersetzbar als „leerer Geist“) erreicht werden. Dieser entspricht jedoch nicht einer allgemeinen ziellosen Gleichgültigkeit, sondern beschreibt eher den Zustand einer so hoch verdichteten Konzentration, dass für andere Gedanken kein Platz ist.

Der 1990 verstorbene Hideharu Onuma, 9. Dan/Hanshi, unterschied drei Qualitätsebenen des Treffens:

  • Toteki: der Pfeil trifft das Ziel
  • Kanteki: der Pfeil durchbohrt das Ziel
  • Zaiteki: der Pfeil existiert im Ziel

Für die erste reicht eine gute Technik und Bewegungsform aus. In der zweiten ist eine zielgerichtete Dynamik erforderlich. Auf der dritten steht vor dem Lösen bereits fest, dass der Pfeil trifft. Dieses kann nur erreicht werden, wenn Körper, Geist und Technik zu einer Einheit verschmelzen.

Der japanische Dachverband (ANKF) benennt als höchstes Gut des Kyūdō folgende drei Komponenten:

  •  真 Shin – „Wahrheit“ technisch korrektes, mit der richtigen Gesinnung erfülltes Schießen
  •  善 Zen – „Güte“ schließt positive Eigenschaften wie Höflichkeit, Mitgefühl, Sittlichkeit, und Friedfertigkeit ein und könnte mit sozialer und moralischer Kompetenz gleichzusetzen sein. Zen äußert sich in angemessener Haltung und angemessenem Verhalten in allen Lebenslagen, auch bei großem Stress oder in einem Konflikt.
  •  美 Bi – „Schönheit“ findet man in der besonderen Erscheinungsform und der künstlerischen Gestaltung des japanischen Bogens sowie der traditionellen Bekleidung des Schützen. Bi ist gegenwärtig in der veredelten Etikette, die die Kyūdō-Zeremonie umgibt.

Schweizerischer Kyudo Verband

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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